Zicken in der Vorstadthölle

Gute Sitcoms sind rar, und die richtigen guten kann man an einer Hand abzählen. Modern Family war nach vielen, humorlosen Jahren endlich mal wieder eine verdammt witzige Serie (allerdings nur im Original), hat aber inzwischen auch nachgelassen. How I Met Your Mother ist zwar beliebt, hat aber schon nach der ersten Staffel für mich völlig an Reiz verloren, weil die Charaktere immer mehr zu Parodien ihrer selbst wurden, und mit Two and a Half Men konnte ich mich erst gar nicht anfreunden.

Im Augenblick bin ich schon froh, wenn wenigstens zwei, drei Mal in der Woche etwas im Fernsehen läuft, was man sich anschauen kann. Und sei es nebenbei oder als Betthupferl kurz vor dem Schlafengehen. Suburgatory ist so eine Serie, bei weitem nicht gut, aber mit einer Vielzahl an schrägen Charakteren, die man seltsamerweise mag, obwohl man ihnen im wahren Leben niemals begegnen möchte. Die Geschichten handeln von der jungen Tessa (Jane Levy, mittlerweile 24, aber im TV immer noch ein Teenager), die von ihrem Vater George (Jeremy Sisto) von Manhattan in die Einöde einer Vorstadt verschleppt wird, in der alle Menschen wohlhabend, stinkfreundlich und erschreckend perfekt sind. Für die intellektuelle Tessa ist es die reinste Hölle, und ihr Kampf gegen den Konformismus der kapitalismushörigen, unkritischen und wahnsinnig oberflächlichen oberen Mittelschicht ist zugleich auch ein Ringen um die eigene Identität als Erwachsene.

Nicht alle Gags zünden, und manche Einfälle sind sogar erschreckend platt, aber selten wurde diese amerikanische Gesellschaftsschicht lustvoller karikiert. Außerdem ist es nett, Schauspieler wiederzusehen, die man in anderen Serien liebgewonnen hat: Allie Grant, die schon in Weeds unter einer schrecklichen Mutter (Elizabeth Perkins in einer ihrer besten Rollen) litt, Jeremy Sisto, der seit Six Feet Under irgendwie seinen Drive verloren hat, oder Cheryl Hines, seit deren Ausstieg Curb Your Enthusiasm deutlich nachgelassen hat.

Die faszinierendste Figur ist jedoch Dalia, gespielt von Carly Chaikin, die roboterhafte, verwöhnte und strunzdumme Tochter aus reichem Haus, die den Begriff Zicke ganz neu definiert und deren Charakter irgendwo zwischen einem Lolita-Terminator und einer schlecht gelaunten Dreijährigen changiert. Mit ihr bin ich zur Schule gegangen. Na ja, die echte Dalia war nicht ganz so überzeichnet wie die fiktive, aber mindestens halb so zickig und verwöhnt. Zum 18. Geburtstag bekam sie ein nagelneues BMW-Cabrio geschenkt, das sie aber nur wenige Tage fuhr, dann ließ sie es zurückgehen – die Farbe gefiel ihr nicht…

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.